Biopatente: Keine Patentierung von Tierrassen und Pflanzensorten

Die Patentgesetze in Deutschland und in anderen EU-Mitgliedstaaten setzen die Vorgaben des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) sowie der EU-Biopatentrichtlinie (RL 98/44/EG) um. Grundsätzlich sind Erfindungen, die sich auf biologisches Material oder genetische Ressourcen beziehen, patentierbar. Allerdings sind Patente auf Pflanzensorten und Tierrassen sowie auf "im Wesentlichen biologische Verfahren" zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren ausgeschlossen.

Was sind Biopatente?

Bei Patenten im Bereich lebender Materie spricht man von "Biopatenten". Konkret verbergen sich dahinter Patente auf Pflanzen oder Tiere mit besonderen Eigenschaften, aber auch Patente auf Impfstoffe oder Diagnostika.

Patente werden auf Erfindungen erteilt, die neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Der Patentinhaber erhält das Recht, die Benutzung der patentierten Erfindung anderen Personen und Unternehmen zu verbieten oder von der Zahlung einer Lizenzgebühr abhängig zu machen. Sinn der Patente ist es, die Informationen über Erfindungen zu veröffentlichen. Dies verhindert, dass Innovationen als „Geheimwissen“ verloren gehen und schafft die Möglichkeit für andere darauf aufbauend weitere Innovationen zu schaffen. Im Gegenzug zur Veröffentlichung seiner Idee erhält der Erfinder das Recht, seine Erfindung über einen bestimmten Zeitraum exklusiv zu nutzen. Damit werden für den Erfinder die häufig hohen Entwicklungskosten abgesichert und er kann den daraus entstehenden wirtschaftlichen Gewinn durch die Vermarktung für neue Investitionen in Forschung und Entwicklung und damit weitere Innovationen nutzen.

Im Bereich der Biologie hat dieser technische Ansatz jedoch seine Grenzen. Innovationen im genetischen Bereich sind untrennbar mit dem Lebewesen verknüpft und werden an die Folgegenerationen weitervererbt. Untersagt der Patentinhaber oder die Patentinhaberin die Benutzung der patentierten Erfindung oder macht sie von hohen Lizenzgebühren abhängig so können im Bereich der landwirtschaftlichen Biopatente damit Hindernisse für die Nutzung tier- und pflanzengenetischer Ressourcen für die Erzeugung von Nahrungsmitteln und anderen landwirtschaftlichen Produkten entstehen. Weiterhin könnten sich die Forschungsanstrengungen teilweise von der Verbesserung genetischer Ressourcen hin zur Erzeugung von Patentansprüchen verlagern. Dadurch würde die Bandbreite der genutzten Agrobiodiversität vermindert und zur genetischen Erosion beigetragen.

Zuständig für die Erteilung von Patenten - einschließlich Biopatenten - sind je nach gewünschtem Geltungsbereich das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) oder das Europäische Patentamt (EPA). Diese Behörden vergeben im Bereich lebender Materie Patente auf

  • biologisches Material, das mit Hilfe eines technischen Verfahrens aus seiner natürlichen Umgebung isoliert oder hergestellt wird,
  • Pflanzen oder Tiere, wenn die Ausführungen der Erfindung technisch nicht auf eine bestimmte Pflanzensorte oder Tierrasse beschränkt ist,
  • biotechnische Verfahren oder ein durch diese Verfahren gewonnenes Erzeugnis, sofern es sich dabei nicht um eine Pflanzensorte oder Tierrasse handelt.

Grundsätzlich sind Erfindungen, die sich auf biologisches Material beziehen, patentierbar. Biologisches Material ist jedes Material, das genetische Informationen enthält und sich entweder selbst reproduzieren oder in einem biologischen System reproduziert werden kann (§ 2a Abs. 3 Nr. 1 PatG). Patentrechtlich zulässig ist auch die Patentierung von Pflanzen oder Tieren mit Eigenschaften, die durch Gentechnik oder sonstige technische Verfahren verändert wurden. Auch die Früchte der Pflanzen und die Folgegenerationen von Tieren können von dem Patentschutz erfasst werden (§ 9a PatG) und entsprechend Lizenzzahlungsverpflichtungen auslösen.

Ausgenommen von der Patentierung sind unter anderem Pflanzensorten und Tierrassen sowie "im Wesentlichen biologische Verfahren" zur Züchtung von Pflanzen und Tieren. In Deutschland ist zudem explizit gesetzlich geregelt, dass Pflanzen und Tiere, die ausschließlich durch solche Verfahren gewonnenen wurden (§ 2a Abs. 1 Nr. 1 PatG, "Patentierungsverbote") nicht patentiert werden dürfen. Hintergrund für diese Patentierungsverbote ist die Erkenntnis, dass die stete Weiterzüchtung von Sorten und Rassen wesensnotwendige Grundlage der Landwirtschaft ist. Die Ernährungssicherung ist auf steten Zugang zu einem breiten Genpool angewiesen, der auch durch Patente möglichst wenig eingeschränkt werden soll. Patentrechtlich werden Besonderheiten im Bereich der Pflanzenzüchtung durch § 11 Nr. 2a PatG berücksichtigt. Diese Vorschrift erlaubt die Nutzung biologischen Materials zu Züchtungszwecken trotz eventuell bestehender Patente. Lediglich bei der Verwertung der Erzeugnisse der Weiterzüchtung muss das Patentrecht des Erstzüchters berücksichtigt werden.

Biopatent-Monitoring

Mit dem Biopatent-Monitoring werden Patente in den Bereichen Nutzpflanzen und Nutztiere erfasst und analysiert, die für die Landwirtschaft relevant sind. Die Patentrecherchen führen die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) und das Bundessortenamt (BSA) im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) durch. Im Rahmen des Monitorings stellen sich teilweise auch grundsätzliche Fragen, beispielsweise: In welchen Bereichen wird viel patentiert? Wo und wie muss möglicherweise eingegriffen werden? Reicht eine restriktive Auslegung des geltenden Patentrechts? Sind gesetzliche Änderungen erforderlich?

Mit dem fraktionsübergreifend gefassten Beschluss "Keine Patentierung von konventionell gezüchteten landwirtschaftlichen Nutztieren und Nutzpflanzen" hatte der Deutsche Bundestag im Februar 2012 die Bundesregierung unter anderem dazu aufgefordert, "ein staatliches Biopatent-Monitoring aufzubauen, um Entwicklungen frühzeitig erkennen zu können, und in diesem Zusammenhang alle zwei Jahre einen Bericht über die Auswirkungen des Patentrechts im Bereich der Biotechnologie unter anderem hinsichtlich ausreichender Technizität sowie Auswirkungen im Bereich der Pflanzen- und Tierzüchtung vorzulegen".

Die Federführung für den Bericht der Bundesregierung obliegt dem BMJV, das für das Patentrecht zuständig ist. Das seit Juli 2012 betriebene BMEL-Biopatent-Monitoring baut auf entsprechenden Patentrecherchen und Bewertungen des BSA für den Bereich Nutzpflanzen und der BLE für den Bereich Nutztiere auf.
Seit dem ersten Bericht, den die Bundesregierung am 9. Juli 2014 für den Beobachtungszeitraum 2013 vorlegte (BT-Drs. 18/2119), folgten vier weitere Berichte. Am 29. September 2022 legte die Bundesregierung nunmehr den fünften Bericht über den Beobachtungszeitraum 2020/2021 (BT-Drs. 20/3845) vor.

Weitere Maßnahmen der Bundesregierung

Um der Diskussion über die dargestellten biopatentrechtlichen Fragen auf nationaler und europäischer Ebene einen neuen Impuls zu verleihen, veranstaltete das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) am 8. Juli 2021 ein internationales Symposium zum Thema: „Patentierbarkeit von Pflanzen und Tieren– Gestaltungsspielräume und Reformbedarf?“. Das Symposium hatte sich zur Aufgabe gesetzt, den Status Quo der Patentierung von Tieren und Pflanzen zu umreißen und dazu beizutragen, eine Diskussion unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation und der EU anzuregen und eine weitere inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem Thema auf europäischer Ebene in Bewegung zu setzen. An dem Symposium wirkten Vertreterinnen und Vertreter der relevanten europäischen Institutionen, der Wissenschaft, relevante Wirtschaftsbereiche sowie von Nichtregierungsorganisationen mit, die die angesprochenen Fragen aus verschiedensten Perspektiven beleuchteten.

Entwicklungen im deutschen und europäischen Patentrecht

In den vergangenen Jahren gab es einige richtungsweisende Entscheidungen, die als Wegmarken die Auslegung und Setzung europäischen Patentrechts beeinflussten:

Entscheidung des Europäischen Patentamtes zum "Brokkoli-Patent"

Zu der Frage, was genau unter einem nicht patentierbaren "im Wesentlichen biologischen Verfahren" in Abgrenzung zu patentierbaren technischen Verfahren zu verstehen ist, hat sich die Große Beschwerdekammer des EPA zunächst ausführlich in 2018 auseinandergesetzt. Am 9. Dezember 2010 verkündete die Große Beschwerdekammer des EPA in ihren beiden Leitentscheidungen G 1/08 (Tomate I) und G 2/07 (Brokkoli I), dass die bloße Verwendung technischer Verfahrensschritte zur Durchführung oder Unterstützung im Wesentlichen biologischer Verfahren diese nicht patentierbar macht.

Grafik zur Erteilung eines Biopatentes am Beispiel Brokkoli Grafik zur Erteilung eines Biopatentes am Beispiel Brokkoli
zur Erteilung eines Biopatentes am Beispiel Brokkoli © BMEL/German Times

Damit hatte die Große Beschwerdekammer des EPA entschieden, dass klassische Züchtungsmethoden, die auf Kreuzung und Selektion beruhen, auch dann unter das Patentierungsverbot nach Artikel 53 Buchstabe b des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) fallen, wenn zusätzlich eine markergestützte Selektion erfolgt. Bei dem "Brokkoli-Patent" handelte es sich um ein Patent auf eine bestimmte Brokkoli-Sorte, die besonders viele Glucosinolate (Senföle, die laut Studien vorbeugend gegen Krebs wirken sollen) enthält. Das Patent sollte ein Auswahlverfahren zur Herstellung dieser Brokkoli-Variante schützen. Bei diesem Verfahren werden gewünschte Gene im Erbgut ermittelt und mit so genannten genetischen Markern gekennzeichnet. Anschließend werden die Pflanzen mit den Merkmalen anhand der Markergene ausgewählt und für die Zucht verwendet.

Genutzte technische Verfahrensbestandteile, wie beispielsweise ein molekularer Marker, können als solche weiterhin patentiert werden. Auf Basis dieser Entscheidung haben die Patentinhaber ihre Verfahrensansprüche aus dem Patent zurückgezogen.

Änderung des deutschen Patentgesetzes

Der Biopatent-Richtlinie ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob auch Pflanzen und Tiere, die ausschließlich durch "im Wesentlichen biologische Verfahren" gewonnen werden, als Erzeugnisse ebenfalls von der Patentierung ausgenommen sind. Um dem Sinn und Zweck der Biopatent-Richtlinie, herkömmliche Züchtungsverfahren von der Patentierbarkeit auszuschließen, in vollem Umfang Geltung zu verleihen und eine Gesetzesumgehung zum Nachteil der Züchter und Landwirte zu verhindern, hat der Deutsche Bundestag 2013 das deutsche Patentgesetz entsprechend ergänzt. Im Wege einer klarstellenden Konkretisierung der Biopatent-Richtlinie wurde § 2a Abs. 1 Nr. 1 PatG dahingehend erweitert, dass auch "die ausschließlich durch solche (im Wesentlichen biologischen) Verfahren gewonnenen Tiere und Pflanzen" nicht patentiert werden können. Dies gilt auch für das zu ihrer Erzeugung bestimmte Material wie Saatgut, Sperma, Eizellen und Embryonen.

Für Züchter und Landwirte ist der weitgehend freie Zugang zu den genetischen Ressourcen eine Grundvoraussetzung für ihre Arbeit. Vor diesem Hintergrund ist die Änderung des deutschen Patentgesetzes, mit der die nationalen Auslegungsmöglichkeiten der EU-Biopatent-Richtlinie ausgeschöpft werden, ein wichtiger Schritt mit Signalwirkung für die Patent-Erteilungspraxis des EPA.

Weitere Entscheidungen des Europäischen Patentamtes zur Auslegung des europäischen Patentrechts

In der Frage nach der Patentierbarkeit von mit "im Wesentlichen biologischen Verfahren“ gezüchteten Pflanzen oder Tieren hat das Europäische Patentamt (Große Beschwerdekammer) am 25. März 2015 in zwei Folgeverfahren (G 2/12 – "Tomate II" und G 2/13 – "Brokkoli II") entschieden, dass entsprechende Pflanzen und Tiere patentiert werden können, auch wenn kein Patent für ihre Züchtungsmethode als solche möglich ist.

Daraufhin haben die Mitgliedstaaten des Europäischen Patentübereinkommens auf EU-Ebene Verhandlungsspielräume zur Klarstellung der Biopatent-Richtlinie ausgelotet.

Mit Entschließung vom 17. Dezember 2015 hat das Europäische Parlament dann die Kommission aufgefordert, den Geltungsbereich und die Auslegung der Richtlinie 98/44/EG dringend klarzustellen, um in Bezug auf das Verbot der Patentierbarkeit von Erzeugnissen, die mittels "im Wesentlichen biologischer Verfahren" gewonnen werden, für Rechtssicherheit zu sorgen.

Die EU-Kommission hat daraufhin am 3. November 2016 eine klarstellende Erklärung ("Notice") zur Auslegung der Biopatent-Richtlinie (ABl. 2016/C 411/03) bekannt gemacht, mit der die Auslegung entsprechend der Rechtslage in Deutschland bestätigt wird.

In der Folge hat das Europäische Patentamt am 24. November 2016 die Aussetzung von Patenterteilungsverfahren erklärt. Daraufhin haben die Mitgliedstaaten des Europäischen Patentübereinkommens große Anstrengungen unternommen, um eine Klarstellung innerhalb der Europäischen Patentorganisation zu erreichen. Nach umfangreichen Beratungen wurde die Regel 28 Absatz 2 der Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen geändert. Damit sollte klargestellt werden, dass keine europäischen Patente für ausschließlich durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren gewonnene Pflanzen oder Tiere mehr erteilt werden.

Entgegen der der geänderten Regel 28 Ausführungsordnung hat die Technische Beschwerdekammer (BK) im Verfahren T 1063/18 entschieden, dass Patentansprüche auf Tiere und Pflanzen als Erzeugnisse aus im Wesentlichen biologischen Verfahren zulässig seien. Nach der Auffassung der Technischen Beschwerdekammer des EPA steht die neue Regel 28 Absatz 2 der Ausführungsverordnung im Widerspruch zum Wortlaut des EPÜ, der nach der bisherigen Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer des EPA lediglich das im Wesentlichen biologische Verfahren, nicht aber die in Anwendung desselben erzeugten Pflanzen und Tiere von der Patentierbarkeit ausnimmt. Damit wurde die gewonnene Rechtssicherheit zur Patentierbarkeit solcher Pflanzen und Tieren wieder in Frage gestellt.

Daraufhin legte der Präsident des EPA die umstrittene Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer der Großen Beschwerdekammer mit zwei konkreten Fragen vor, gleichzeitig wurden alle Verfahren mit ähnlicher Problematik ausgesetzt. Die Große Beschwerdekammer gab in diesem Verfahren auch interessierten Dritten die Gelegenheit zu schriftlichen Stellungnahmen. Hiervon haben mehrere Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, Gebrauch gemacht.

Letztlich befand die Große Beschwerdekammer, dass auch die Erzeugnisse von Pflanzen und Tieren, die mit im Wesentlichen biologischen Verfahren erzeugt wurde, nicht patentiert werden dürfen.

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